Politisches Lager
Während der Ersten Republik (1918–1938) und auch lange Zeit in der Zweiten Republik (seit 1945) konnte der Großteil der österreichischen Bevölkerung politischen Lagern zugeordnet werden. Es gab drei davon: das sozialistische Lager (Sozialdemokratische Partei, nach 1945 SPÖ), das christlich-konservative Lager (Christlich Soziale Partei, nach 1945 ÖVP) und das Dritte Lager (in erster Linie Deutschnationale Parteien, nach 1949 VdU – Verband der Unabhängigen, nach 1955 FPÖ). Zwischen den Lagern herrschten kaum Berührungspunkte, sie waren voneinander abgeschottet. Innerhalb der einzelnen Lager waren nicht nur die politische Zugehörigkeit, sondern auch weite Teile des gesellschaftlichen Lebens organisiert. Jugendliche, deren Eltern etwa der Arbeiterschaft in den Industriegebieten der Obersteiermark angehörten und damit dem sozialistischen Lager, übernahmen die politische Orientierung von ihren Eltern. Jugendliche, deren Eltern Bauern in Tirol waren und damit dem christlich-konservativen Lager angehörten, übernahmen deren politische Orientierung. Es war kaum vorstellbar, dass jemand von einem in ein anderes Lager wechselte.
So waren z.B. auch Sportvereine (Union, ASKÖ, ÖTB) nach politischen Lagern ausgerichtet.
Das sozialistische Lager war – wie das Dritte Lager – antiklerikal eingestellt (d.h., gegen eine Bindung an eine Religion), das christlich-konservative Lager hatte enge Verbindungen zur katholischen Kirche. Der Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland (1938) war vor allem (aber nicht ausschließlich) für das deutschnationale Dritte Lager die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches.
Mittlerweile haben diese politischen Lager an Bedeutung verloren, sie waren aber im 20. Jahrhundert lange Zeit eine sehr prägende Kraft für die Bevölkerung.